DIE STADTENTWICKLER: Empfehlungen für die nächste Legislaturperiode
Berlin, 13.03.2025
PräambelDer Bundesverband DIE STADTENTWICKLER setzt sich für umsetzungsorientierte Rahmenbedingungen und Förderpolitiken ein, die Planungs- und Investitionssicherheit für alle Beteiligten sowie Bürgerinnen und Bürger sichern und der Entwicklung einer resilienten, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung dienen.
Sie weisen eindringlich darauf hin, dass vor Ort in den Kommunen die Bedarfe auf praktisch allen Feldern der Stadtentwicklung wachsen, von der Wohnraumschaffung und Mobilitätswende über die Dekarbonisierung der Quartiere sowie Zukunftsfähigkeit kommunaler Infrastruktur bis zur Transformation der Innenstadt zu funktionsgemischten Innenstadtquartieren..
Mit ihrer Schlüsselrolle muss die kommunale Ebene auf allen verfügbaren Wegen – Gesetzgebung, Kommunalfinanzen, Förderung, Bürokratieabbau – dahin gehend befähigt und gestärkt werden, den Herausforderungen auf dem Bodenmarkt sowie im Rahmen der infrastrukturellen Modernisierung und der Quartiersentwicklung effizient wahrzunehmen.
Zum Sondervermögen
Die angestrebte Investitionsoffensive über ein Sondervermögen „Infrastruktur“ ist zu begrüßen. Erfolgsentscheidend wird es jedoch sein die wesentlichen Aspekte der Mittelverwendung bedarfsgerecht entsprechend den kommunalen Handlungserfordernissen und Problemstellungen richtig zu adressieren. Bürgerinnen und Bürger erleben „Staatsversagen“ primär auf der kommunalen Ebene. Gleichzeitig wird seit Jahren ein enormer kommunaler Investitionsstau festgestellt (zuletzt von 186,1 Mrd. Euro laut KfW-Kommunalpanel 2024). Es ist daher essenziell, dass die kommunale soziale Infrastruktur Gegenstand des Sondervermögens wird.
Das Sondervermögen muss dafür eingesetzt werden, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt, das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit von Politik und der Demokratie insgesamt zurückgewonnen wird. Dieses Vertrauen entsteht nicht abstrakt; es entsteht vor Ort, bei den Menschen in den Kommunen und im Quartier als ihr unmittelbares Lebensumfeld.
Kommunen mit 100 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen hinreichend ausgestattet sind angesichts der überbordenden Aufgaben, die es auf diesen Ebenen zu bewältigen gilt.
Wichtige Grundsätze / Prinzipien
All unseren Überlegungen liegen folgende Grundsätze und Prinzipien einer wirksamen und effizienten Mittelverwendung für die Stadtentwicklung zugrunde:
• Verstetigung und Stärkung langjährig bewährter Förderprogramme – allen voran die Städtebauförderung. Diese gilt es weiter zu optimieren: d.h. schneller, schlanker und flexibler in ihrer Anwendung auszugestalten (keine Investitionen in neue Strukturen); Intensivierung in den Bereichen besonderer Herausforderung, wie der wirksamen Flächenrevitalisierung und Befähigung der Kommunen zu strategischer Bodenbevorratung
• Die hohe Wirksamkeit (und Sichtbarkeit) von Programmen sollte Priorität haben.
• Große Hebel von öffentlicher Förderung zu privaten Investitionen sind zu priorisieren (u.a. bei Städtebauförderung und energetischer Stadtsanierung)
• Umsetzungsbeschleunigung und Verfahrensvereinfachungen, agiles Prozessmanagement und zielgerichtete Partizipation als Hebel der Akzeptanzförderung, die damit das Vertrauen in die politische Lösungskompetenz demokratischer Kräfte stärken können.
• Planungssicherheit und Verlässlichkeit für alle Beteiligten sind sicherzustellen. Ein abrupter Stopp oder ein Umschwenken sind für langfristige Investitionen mit langen Planungsvorläufen enorm schädlich.
1. Zweckbindung der Mittel und mangelnde Transparenz
Der Bundesverband DIE STADTENTWICKLER fordert,
• eine klare Zweckbindung zwischen Bund, Ländern und Kommunen und effiziente Mittelverwendung.
• eine klare Definition von priorisierten Investitionsbereichen, insbesondere hinsichtlich der kommunalen Infrastruktur,
• eine transparente Mittelvergabe mit Berichtspflichten sowie eine Evaluation der Mittelverwendung zur gezielten Steuerung und Kontroll.
2. Berücksichtigung kommunaler Belange
Kommunen tragen die Hauptverantwortung für die Bereitstellung essentieller Infrastruktur, darunter die Sanierung öffentlicher Gebäude (für die es europarechtliche Vorgaben gibt), Bau und Modernisierung von Schulen, Kindertagesstätten und sozialen Einrichtungen, Unterbringung und Integration von Geflüchteten, Planung, Umwidmung, Neubau und Modernisierung von Energieinfrastrukturen im Zuge der Umsetzung kommunaler Wärmeplanungen, sowie Ausbau und Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs.
3. Notwendige Stärkung der Städtebauförderung
Die Städtebauförderung ist ein bewährtes Instrument zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie erzielt nachweislich regionalwirtschaftliche Effekte, stärkt die regionale Bauwirtschaft, schafft Wohnraum und leistet durch ihren partizipativen Ansatz einen Beitrag zur sozialen Stabilität in den Quartieren und zur Festigung der Demokratie.
Es gilt bewährte Programme zu nutzen, die mit einem großen Hebel und einem integrierten Ansatz schnell und effizient in die Umsetzung gehen können. Im Rahmen der Städtebauförderung können u.a. Investitionen in die Soziale Infrastruktur im Rahmen vorhandener bewährter Strukturen zielgerichtet und koordiniert und zügig umgesetzt werden.
Allerdings zeigt sich in den letzten Jahren, dass die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die steigenden Bedarfe zu decken und insbesondere eine grundlegend verbesserte kommunale Handlungsfähigkeit im Bereich der Innenentwicklung, Ausübung von Vorkaufsrechten und der Flächenrevitalisierung zu ermöglichen.
Hier fordert der Bundesverband DIE STADTENTWICKLER:
• Stärkung / Verdopplung Städtebauförderung als zentralem integrativen Stadtentwicklungsprogramm bei gleichzeitig vereinfachter Ausgestaltung (schlanker, flexibler etc. siehe Städtebauförderung vereinfachen und flexibilisieren
• Eine substanzielle Aufstockung der Mittel der Städtebauförderung ist nicht nur erforderlich, sondern durch die künftige Entlastung des Bundeshaushalts auch möglich.
• Verzahnung der Städtebauförderung mit weiteren Programmen wie z.B. die Wohnraumförderung, um eine höhere Effizienz und Synergieeffekte zu erzielen.
• Die Programme der Städtebauförderung sollten zügig angepasst und teilweise ausgerichtet werden auf die Verausgabung der Mittel aus dem Sondervermögen.
• Programmatische Ansätze der interkommunalen und regionalen Kooperation verbunden mit wirksamen Ausgleichsregelungen sind erforderlich, um nachhaltige Effekte für benachteiligte Kommunen und in strukturschwachen Regionen zu erzielen und müssen priorisiert gefördert werden, um regionale Ungleichheiten zu reduzieren.
4. Verbesserung der Koordinierung zwischen Bund, Ländern und Kommunen
Die bisherige Praxis zeigt, dass Mittel oft nicht zielgerichtet bei den Kommunen ankommen, da komplexe Verwaltungsstrukturen und mangelnde Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen die Umsetzung hemmen.
• Es braucht eine bessere Abstimmung zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen.
• Die Kommunen müssen frühzeitig in die Planung und Mittelvergabe einbezogen werden, am besten auf dem Wege überjähriger Verwaltungsvereinbarungen.
• Die Förderstrukturen müssen vereinfacht werden, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren und eine effiziente Mittelverwendung zu gewährleisten.
• Landesgesellschaften und Stadtentwicklungsunternehmen erweisen sich hier durch ihre regionale Orientierung und Verankerung als geeigneter, operativer Arm von Stadt und Land in der Umsetzung kommunaler Projekte.
5. Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Eine nachhaltige Infrastrukturmodernisierung muss explizit Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen:
• Dekarbonisierung in den Quartieren und die Transformation der Wärmenetze muss wirtschaftlich und sozial verträglich umgesetzt werden: Dafür brauchen Eigentümer Unterstützung und Beratung, die durch ein Programm als Umsetzungsbaustein der kommunalen Wärmeplanung geleistet werden kann. Hier sollte ein Programm analog zum KfW-Programm 432 (wieder) aufgelegt und mit 50 Mio € ausgestattet werden.
• Flächenreaktivierung: Enorme Baulandpotenziale im Innenbereich sind unverzichtbar, um eine Flächenverbrauchswende zu erreichen. Die kommunale Handlungsfähigkeit muss gestärkt werde - durch Vorkaufsrechte zum Verkehrswert, weitere gesetzliche und förderrechtliche Priorisierung des Ankaufs und der Aufbereitung ungenutzter Flächenpotenziale
• Bau und Sanierung sozialer Infrastruktur (Kita, Schulen etc.) sollte mit Energetischer Sanierung öffentlicher Gebäude und nachhaltige Bauweisen verknüpft werden.
• Klimafolgenanpassung in integrierte Stadtentwicklung aufnehmen und mit entsprechenden Budgets ausstatten. Dazu gehören Grüne Infrastruktur zur Klimaanpassung, wie Hochwasserschutz oder städtische Begrünung
• Neben dem Wohnungsneubau und neuen (oder dem Ersatz von) Infrastrukturen muss die Ertüchtigung und Umnutzung des Gebäudebestands im Fokus der Anstrengungen stehen.
• Sanierung verkehrlicher Infrastruktur: Städte und Gemeinden müssen finanziell, personell und fachlich befähigt werden, die Modernisierung der erforderlichen, kommunalen, baulichen Infrastrukturen (Straßen, Brücken) zu stemmen und die koordinativen Aufgaben gerade bei Liegenschaftslineamenten (Radwege) zu leisten.
Investitionen in klimaschonende Mobilitätssysteme (z.B. öffentlicher Nahverkehr, Radwege, E-Mobilität).
6. Transformation der Innenstadt
Die Transformation der Innenstädte zu funktionsgemischten resilienten Innenstadtquartieren (attraktive, klimagerechte und resiliente Innenstädte) steht in vielen Städten erst am Anfang. Innenstädte bleiben zentraler Standortfaktor der Städte aber mit verändertem Profil und diversifizierten Nutzungsmischungen und ein buchstäblich zentraler Ort für die Bürgerinnen und Bürger, als ein sozialer und kultureller Ort des Austauschs.
• Programm, dass die Entwicklung resilienter, gemischter und lebenswerte Innenstädte unterstützt und insbesondere ein Transformationsmanagement fördert. Dies gilt auch für eine etwaige Verzahnung mit den Sondervermögensmitten, um eine höhere Effizienz und Synergieeffekte zu erzielen.
• Instrumente privates Kapital zu mobilisieren, sollten gezielt genutzt werden – insbesondere die Städtebauförderung.
• Ergänzend ist eine Innenstadtfonds einzurichten.
• Die Innenstadtstrategie sollte weiterentwickeln werden und durch ein koordiniertes Vorgehen im Bund weiter durch Beirat Innenstadt unterstützen werden.
• Der Erfahrungsaustausch aus ZIZ-Programm ist zu erweitern und der Wissenstransfer zu systematisieren. Hier ist ein Monitoring zu ergänzen und eine Vernetzung mit weiteren Akteuren voranzutreiben
• Ein zentrales Instrument zur Förderung des Wissenstransfers ist die Implementierung einer neutralen Plattform.
7. Baurecht
Das Bau- und Planungsrecht sollte dringend auf Vereinfachung und Beschleunigung der Planungsprozesse ausgerichtet werden. Der konkret vorliegende Gesetzesentwurf sollte zügig verabschiedet und um eine Innenentwicklungsmaßnahme ergänzt werden.
• Bodenwertsteigerungen durch öffentliches Handeln, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, müssen revolvierend auch dem Gemeinwohl zugutekommen. Nur durch die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen sind die Defekte und heutigen sozialen Risiken des Bodenmarktes zu beheben.
• Bauland- und Wohnraumschaffung in angespannten Wohnungsmärkten unterstützen durch eine maßvolle Außenentwicklung in integrierten Lagen, die vorhandene Infrastruktur nutzt und nach Möglichkeit an den Haltepunkten des schienengebundenen ÖVs stattfindet. Diese sollte auf die Dauer des Sondervermögens befristet werden.
• Die Einführung Innenentwicklungsmaßnahme ist dringend notwendig.
8. Vergaberecht und Verfahrensbeschleunigung
Die Modernisierung, Beschleunigung und Vereinfachung des Vergaberechts ist „flächendeckend“ erforderlich:
• Erhöhung der Schwellenwerte für Lieferungen und Leistungen im Vergaberecht; Abschaffung der Begründungspflicht bei Losvergaben.
• Stärkung der breiten Anwendung von Konzeptvergaben, insbesondere für Bundesliegenschaften, die i.d.R. nach dem Höchstgebotsverfahren veräußert werden, um gemeinwohlorientierte Effekte z.B. im Wohnungsbau zu erzielen.
• Notwendig ist die Verschlankung der TöB-Beteiligung.
• Stärkung regionaler Koordinierungs- und Beschleunigungsstellen, um in Runden Tischen oder Dialogverfahren Effizienz zu gewinnen sowie Abstimmungs- und Entscheidungszeiträume kürzen.
Fazit und Handlungsempfehlungen
• Präzisere Zweckbindung: Klare Definition der Mittelverwendung zur Vermeidung ineffizienter Ausgaben.
• Verknüpfung integrierter Handlungsansätze, großer ökonomischer Hebel mit hoher Wirksamkeit bei schlanker und effizienter Umsetzung sollten priorisiert werden.
• Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit: Deutliche Aufstockung der für Kommunen vorgesehenen Mittel.
• Verzahnung mit der Städtebauförderung: Integration in bestehende Förderprogramme zur Maximierung der Wirksamkeit.
• Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen: Reduzierung des Bürokratieaufwands und frühzeitige Einbindung der Kommunen.
• Berücksichtigung von Nachhaltigkeit: Fokussierung auf klimafreundliche und resiliente Infrastrukturen.
Die Modernisierung der Infrastruktur und Quartiere ist essenziell für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und das Schaffen und den Erhalt lebenswerter Räume. Die Umsetzung muss jedoch so gestaltet werden, dass die Kommunen als zentrale Akteure der Daseinsvorsorge gestärkt werden und die Mittel effizient und nachhaltig eingesetzt werden.
DIE STADTENTWICKLER: Empfehlungen für die nächste Legislaturperiode